Die traditionelle Herbstveranstaltung der IGöV führte dieses Jahr in den Kanton Graubünden zu einer Besichtigung der Baustellen des neuen Albulatunnels. Am Anlass nahmen 34 Personen teil, Treffpunkt waren zwei Nostalgie-Speisewagen der Rhätischen Bahn, mit Abfahrt um 07.58 Uhr in Chur und anschliessend ausgezeichnetem, reichhaltigen Frühstück. Besonders gefreut hat sich die Reisegruppe über den zuvorkommende Service des fröhlichen jungen Personals.
Die Fahrt ging bis Spinas (Ankunft um 09.35 Uhr) zu einer kleinen Führung durch die Baustelle des Südportals des neuen Tunnels. Louis Schoenenberger von der Firma Amberg Engineering, Oberbauleiter des ganzen Projekts, begrüsste die Gruppe. Bei prächtigem Herbstwetter ging es zügig durch umfangreiche logistische Einrichtungen, welche für solche Grossbaustellen nötig sind, etwa für den Umschlag des Ausbruchmaterials. Der Tunnel wird im Sprengbetrieb vorangetrieben, also ohne Tunnelbohrmaschine. Er wird parallel zum bestehenden Albulatunnel in einem Abstand von 30m gebaut, als Ersatz für den alten, in die Jahre gekommenen Tunnel. Dieser wurde vor über 100 Jahren eröffnet, im Jahre1903 nach einer Bauzeit von 5 Jahren. Im Einsatz waren damals 1300 Arbeiter. Der alte Tunnel wird nach Inbetriebnahme des neuen zum Sicherheitstunnel mit Asphaltbelag umgenutzt.
Die Reisegruppe wechselte bereits nach einer knappen Stunde zum Nordportal (Abfahrt in Spinas um 10.23 dank Extrahalt, Ankunft 10.30 in Preda). In der dortigen Info-Arena erläuterte Louis Schoenenberger anhand von zahlreichen Fotos und Grafiken das Projekt. Dem Bau ging eine 4-jährige Planung voraus, welche nicht nur die technischen Fragen betraf, sondern auch Umweltanliegen (z.B. Umsiedlung von Kreuzottern), vor allem aber auch die Auflagen durch das Weltkultur-Erbe. Zunächst gab es von dieser Seite erheblichen Widerstand gegen einen neuen Tunnel – eben weil der alte Tunnel bedeutender Teil des Erbes ist. Schliesslich fand sich ein Kompromiss, zu welchem auch der Erhalt von historischen Stellwerken oder Toilettenhäuschen gehört. Da einige dieser Anlagen den neuen Anlagen im Wege standen, wurden sie kurzerhand um einige Meter versetzt.
Ein neuer Tunnel ist in mehrfacher Hinsicht von Vorteil: Einmal kann der Bahnbetrieb während der ganzen Bauzeit ungehindert aufrecht erhalten werden. Weiter können modernste Sicherheitsanlagen eingebaut werden, in Verbindung mit dem alten Tunnel als Sicherheitsstollen. Alle 450m werden insgesamt 12 Quertunnels errichtet. Eine Problemzone etwa 1km ab Preda mit porösem Zellendolomit, die sogenannte Raibler Rauhwacke, kann mit einer speziellen Gefriertechnik für das feuchte Gestein sicher durchfahren werden – in diesem Abschnitt kam es beim ersten Tunnelbau zu tödlichen Unfällen. Die Bauzeit beträgt 8 Jahre, im Winter gibt es eine Pause, auch wegen der Schlittenstrecke Preda-Bergün und dem damit verbundenen Unterbruch in der Logistik. Die Kosten für den ganzen Umbau inkl. behindertengerechten Ausbauten bei den Stationen betragen 345 Millionen, die Betriebsaufnahme ist für das Jahr 2021 geplant.
Nach den Ausführungen in der Info-Arena zeigte ein Rundgang die Dimensionen der Grossbaustelle. Es sind etwa 80 Arbeiter im Einsatz, überwiegend aus Österreich, die meisten Spezialisten im Unterhalt des komplexen Maschinenparks.
Nach dem Rundgang ging es zu einem guten Mittagessen ins Restaurant Preda Kulm, mit dem Bauarbeiter-Menu im Angebot. Anschliessend an die Mittagspause wanderten einige auf dem Bahnlehrpfad nach Bergün, andere zum Lai da Palpuogna, ein Teilnehmer nahm sogar den Weg über den Albulapass nach La Punkt unter die Füsse.