Bericht über die Herbstveranstaltung der IGöV Ostschweiz

Samstag, 3. November 2012, Locorama Romanshorn

Die IGöV Ostschweiz führte dieses Jahr ihre traditionelle Herbstveranstaltung in Romanshorn durch. Auf dem Programm standen ein Referat von Werner Müller, Abteilungsleiter öffentlicher Verkehr/Tourismus im DIV TG, 
ein Film zur Sonderausstellung der Stadler Rail sowie eine Führung durch das Locorama.

Vereinspräsident Beat Tinner konnte in den Räumen des Locorama etwas über 30 Personen begrüssen, die sich sichtlich gerne in dieser öV- Umgebung einfanden. Ein weiteres Grusswort richtete Urs Oberholzer, Gemeinderat in Romanshorn, an die Versammlung. Er setzt sich als Präsident der Grünen TG für die Förderung des öV ein, hält aber eine generelle Begrenzung der Mobilität mit ihren Stresserscheinungen für noch wichtiger. Was das Locorama betrifft, ist er erfreut über dessen wachsende Ausstrahlung über die Region hinaus.

Referat von Werner Müller

Werner Müller sprach über die Herausforderungen des öV im Kanton Thurgau, er hielt einen Rückblick auf die Entwicklung seit dem Jahre 2000 und ging dann auf die nächsten Ausbauschritte ein, u.a. auf die S-Bahn St. Gallen 2013, den HGV-Anschluss 2015, die Angebotsplanung Ostschweiz 2018, den Brüttenertunnel und das Bodensee-Rheintal-Y.

Einige Kennzahlen machen die Entwicklung im Kanton TG deutlich:
Die Zahl der der Fahrplankilometer ist von 8.4 auf 12.1 Mio gewachsen, um 44% (Zeitraum 2000-2012).
Die Zahl der Passagiere wuchs von 18.8. auf 32.1 Mio., um 70% (Zeitraum 2000 bis 2011).
Die Abgeltungszahlen stiegen von 40.4 auf 52.0 Mio. Fr. an, um 29%. (Zeitraum 2000-2012).
Die Gesamtkosten 2011 von 62.2 Mio Fr. (Abgeltung + Infrastrukturkosten KTU) wurden zwischen Bund-Kantonen-Gemeinden und LSVA etwa im Verhältnis 5:4:2:1 aufgeteilt.

Der Kostendeckungsgrad der Bahn liegt bei 54%, beim Bus beträgt er nur 38%. Die Stillegung von Bahnlinien sollte kein Thema sein! Dies zeigte kürzlich wieder eine fundierte Studie zur Frauenfeld-Wil-Bahn. Bei der Strecke Weinfelden-Wil, in die gerade 50 Millionen investiert wurden, ist der Kostendeckungsgrad 63%.

Durch den öV- Ausbau hat sich das Verhältnis zwischen öV und motorisiertem Individualverkehr, der sogenannte Modalsplit, zugunsten des öV verschoben: im Kanton TG entfallen auf den öV ca. 20%, auf den MIV 70%. schweizweit liegt der öV- Anteil bei 23%.

Die Angebotsplanung auf Dezember 2013 bei der Bahn sieht folgendes vor:

Ausbau zum ½ h-Takt 6-24 Uhr

  • S3 Romanshorn – St. Gallen: +2 Zugpaare
  • S5 Weinfelden – St. Gallen: Mo-Fr +8 Zugpaare
  • S7 Romanshorn – Rorschach: +1 Zugpaar
  • S8/S30 Weinfelden – Winterthur: +2 Zugpaare
  • S35 Wil – Winterthur: +2 Zugpaare
  • Weinfelden – Wil: +4 Zugpaare
  • FW Frauenfeld – Wil: +7 Zugpaare So, +9 Zugpaare Wil-Wängi Mo-Sa
  • Fernverkehr: Zürich – Konstanz: +2 Zugpaare

Beim Bus ist per Dezember 2013/2014 folgender Ausbau geplant:

  • Frauenfeld – Müllheim, ½ h-Takt 6-20 Uhr: +6 Kurspaare
  • Amriswil – Muolen, ½ h-Takt 6-20 Uhr, Mo-Sa: +8/14 Kurspaare
  • Schnellbus St. Gallen – Arbon im ½ h-Takt, 6-20 Uhr, Mo-Fr (2014)
  • Amriswil – Romanshorn – Arbon: +5 Kurspaare in HVZ (2014)
  • Linien Autokurse Oberthurgau, 1 h-Takt statt 2 h-Takt an So (2014)

Ab 2015 sind folgende Schritte vorgesehen:

  • RegioExpress St. Gallen – Romanshorn – Kreuzlingen H – Konstanz im 2 h-Takt,
 Fahrzeit 35 Min. (Dezember 2015)
  • Fähre Romanshorn – Friedrichshafen im ½ h-Takt 6-20 Uhr, Stundentakt bis 24 Uhr.

Der Halbstundentakt der Fähre ist ein besonderes Anliegen. Der See ist nach wie vor eine Barriere, die damit etwas weiter geöffnet würde.

Das grössere Angebot führt zu zusätzlichen Abgeltungen (Steigerung von 52 auf 61 Mio Fr. in 5 Jahren).
Es dürfen aber nur moderate Tariferhöhungen erfolgen, da sonst die öV-Nutzer/innen wieder zur “Strasse” abwandern könnten. SBB-Direktor A. Meyer liegt mit seiner Vorstellung eines Tarifanstiegs um jährlich + 3.3% falsch. Auch der Bezug der Billette muss wesentlich vereinfacht werden, und die Schalteröffnungszeiten dürfen nicht mehr weiter reduziert werden: Dies sind Schlüsselprojekte der nächsten Jahre.

Ab Dezember 2018 schliesslich wird sich dank der Durchmesserlinie Zürich und dem Ausbau Zürich-Winterthur (Überwerfung Hürlistein) für den Kanton Thurgau eine markante Verbesserung ergeben: Man ist schneller in Zürich. Schaffhausen, Kreuzlingen und Romanshorn werden zu 15′ – 45′ – Knoten, was zu besseren Anschlüssen führt. Auf der Strecke St. Gallen-Konstanz wird stündlich ein Schnellzug verkehren.

Die Angebotsplanung 2018 im TG sieht folgendes vor:

  • R‘horn – W‘felden; 1-h-Takt FV und schnelle S-Bahn, ½ h-Takt Regio
  • Konstanz – Weinfelden; 1-h-Takt FV und schnelle S-Bahn, ½ h-Takt Regio
  • Wil – Weinfelden; ½ h-Takt
  • Frauenfeld – Wil; ¼ h-Takt in HVZ
  • Zusätzliche schnelle S-Bahn-Züge Romanshorn-Stadelhofen-Zürich in HVZ
  • Verlängerung S12 Zürich-Stadelhofen-Winterthur bis Wil im 1-h Takt
  • S24 Zürich-Oerlikon-Flughafen-Winterthur-Weinfelden, anstelle S8

Finanzierung der Infrastruktur (in Mio. Fr.)

Kreuzungsstationen Uttwil, K‘lingen-H., Roggwil, Spurw. R‘horn 45 HGVG (2013/2015)
Beschleunigung Winterthur-Weinfelden 130/150 km/h > 30 ZEBG
Doppelspur Kehlhof (Berg) 74 – 97 ZEBG
Kreuzungsstation Berg 9 – 11 LV Thurbo
Kreuzungsstation Lengwil 12 – 16 ZEBG (AM RV)
Weinfelden: Perronverlängerung, PU West, Spurwechsel Ost 19 – 25 ZEBG (AM RV), LV SBB
Romanshorn: diverse Spurwechsel 18 – 23 LV SBB
Kreuzungsstationen Kradolf 13 – 16 ZEBG (AM RV)
Kreuzungsstation Hauptwil 10 – 12 ZEBG (AM RV)
Kreuzungsstation Katharinental 20 – 22 ?
Kreuzungsstation Neukirch-Egnach 19 LV SOB
Schnelle S-Bahn Weinfelden-Konstanz:Ausbau Weinfelden, Kehlhof, Kreuzlingen 64 – 85 ?
Kreuzungsstation Lüdem (Frauenfeld) und Jakobstal (Wängi) 7 LV FW, Infrafonds

Auf den Kanton Thurgau entfallen ca. 60 bis 90 Millionen. Über den Kredit wird 2014 in einer Volksabstimmung entschieden.

Die FABI/STEP -Vorlage des Bundesrates (direkter Gegenvorschlag zur VCS-öV-Initiative) sieht in einem ersten Ausbauschritt bis 2025 Investitionen von 3,5 Mia. Fr. vor, welche mit der Schaffung eines neuen Bahninfrastrukturfonds (BIF) wie folgt finanziert würden:

  • Finanzierung aus LSVA, Mineralölsteuer, Mehrwertsteuerpromille (1,6 Mia.)
  • Mittel aus Bundeshaushalt (2,3 Mia)
  • Pendlerabzug max. 3‘000.- (200 Mio.)
  • Trassenpreise (+300 Mio. ab 2013, +100 Mio. ab 2017)
  • Kantone finanzieren Publikumsanlagen (+ 200 Mio., neu 500 Mio.)

Die Begrenzung des Pendlerabzugs ist ein wichtiger Schritt zur Kostenwahrheit beim Verkehr und sollte auch von den Kantonen übernommen werden.

Die KöV-Regionen Ostschweiz, Zürich und Zentralschweiz (15 Kantone) haben folgende Forderungen an FABI/STEP gestellt:

  • Verbindliche Planungskompetenzen für die Kantone.
  • Brüttenertunnel und Zimmerbergbasistunnel im ersten Ausbauschritt 2025.
  • Aufstockung der Mittel für Ausbauschritt 2025 von 3,5 auf 6 Mia.
  • Beschlossener Chestenbergtunnel nicht aus ZEB-Gesetz streichen.
  • Kantonsbeteiligung an Publikumsanlagen:
    • max. 500 Mio. Franken pro Jahr gesetzlich verankern
    • Verlässliche Aussagen über Höhe des jährlichen Kantonsbeitrages – Antworten zu vielen offenen Fragen und Schnittstellen.

Die vorberatende Ständeratskommission ihrerseits schlägt vor:

  • Erster Ausbauschritt für 6,4 Mia. Franken. Finanzierung der Mehrkosten durch Mehrwertsteuer +0,1%.
  • Für Ostschweiz:
    • 160 Mio. für Leistungssteigerung Zürich – Chur
    • 55 Mio. für Leistungssteigerung St. Gallen – Rapperswil
    • 180 Mio. für Leistungssteigerung St. Gallen – Chur (neu)
    • 300 Mio. für Projektierungen u.a. für Brüttener und Zimmerberg (neu)
  • Verpflichtung an Bundesrat die Botschaft für Ausbauschritt 2030 bis 2018 vorzulegen
  • Kantone werden besser in Planungsprozess eingebunden
  • Bessere Verfügbarkeit von Trassen für den Güterverkehr

Das Bodensee-Rheintal-Y gemäss Vorschlag der St. Galler Ständeräte K. Keller-Suter und P. Rechsteiner ist damit mit einem ersten Schritt in die Planung aufgenommen worden.

Aus Sicht des TG ist für die weitere Planung bis 2030 mit Halbstundentakt auf allen Fernverkehrslinien der Brüttenertunnel zwingend nötig.
Die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke auf deutscher Seite schliesslich brächte eine weitere wesentliche Entlastung für den Ost-West-Verkehr.

Die Mobilität wird weiter steigen, da die Bevölkerung wächst, mehr Leute Teilzeitjobs versehen und auch bei den Freizeitaktivitäten keine Trendwende in Sicht ist. Nebst Bemühungen, dieser Entwicklung entgegenzusteuern, soll jeder zustätzliche Verkehr durch den öV oder den Langsamverkehr aufgefangen werden.

Diskussion

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollten im Anschluss an das aufschlussreiche Referat von Werner Müller noch einiges erfahren.
So wurde gefragt (U. Oberholzer), ob nicht eher der Verkehr im ländlichen Raum gefördert werden sollte als jener zwischen den Zentren. Bei solchen Fragen steht der Zusammenhang zwischen Verkehr und Raumplanung zur Debatte (F. Gemperle). Mehr Verkehr im ländlichen Raum lockt mehr Leute zum Wohnen “auf dem Lande” und fördert damit tendenziell die Zersiedlung. Andrerseits wird darauf hingewiesen (M. Lehmann), dass etwa Baden-Württemberg derzeit 1.2 Mrd. Euro zur Stärkung des ländlichen Raumes einsetzt, v.a. zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

Auch die Frage, ob anstelle des Brüttenertunnels nicht ein 3. Gleis reichen würde, wird erneut gestellt (O. Bauer). Eine VCS-Initiative für 4 Gleise wurde vom Zürcher Volk abgelehnt. Eine solche Teillösung würde eine definitiv gute Lösung auf lange Zeit hinausschieben (F. Gemperle und W. Müller).
Die Bedenken, der Pendlerabzug könnte bei den Kantonen dem Gesetz über die Steuerharmonisierung widersprechen (Kappeler) sind unbegründet, da das Gesetz im Rahmen von FABI angepasst würde.

Ob der Thurgau das Bodensee-Rheintal-Y aus Überzeugung unterstütze (U. Heuberger)? Werner Müller hält dies für eine grosse Leistung von P. Rechsteiner und K. Keller-Suter und weist darauf hin, dass der TG zusammen mit GR und SH schon vor etwa 5 Jahren eine ähnliche Idee verfolgte, der Kanton SG aber nicht mitzog.

Film über die Firma Stadler Rail

Im Anschluss an die Diskussion wurde ein Film über die Stadler Rail abgespielt, welcher aus Anlass des 70-jährigen Firmenjubiläums im Rahmen einer Ausstellung im Locorama während dieses Sommers gezeigt wurde.
Im Film kommen im Sinne der “oral history” wichtige Akteure der Firma zu Wort – auf eine spannende und gut gemachte Art.

Führung durch die Ausstellung

Zum Abschluss der Veranstaltung gab es eine Führung durch das Locorama in drei Gruppen und dabei einen Einblick in diverse Museumsstücke, z.B. einen alten Post- und Gefängniswagen, eine detaillierte Erklärung der Funktionsweise einer Dampflok sowie des früheren Stellwerks von Romanshorn.

Den definitiven Abschluss bildete ein gemütliches Mittagessen im Loftorante Campania beim alten Stellwerk II.

Zum locorama finden sich weitere Informationen unterwww.locorama.ch.